U-Boot-Krieg in der ARD: Die "Laconia" und der gute Nazi Werner Hartenstein - WELT (2024)

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Nico Hofmann hat es derzeit nicht leicht. Der Chef der TV-Produktionsgesellschaft teamworx muss sich geharnischte Kritik gefallen lassen. Sein aktuelles Filmprojekt „ Rommel “, in dem es um die letzten Lebensmonate des Generals geht, wird von dessen Familie und einigen Historikern als Ansammlung historischer und inhaltlicher Fehler, überzogen mit brauner Soße bezeichnet .

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Dabei ist der Film mit Ulrich Tukur in der Titelrolle gerade einmal im Schneideraum angelangt. Im Herbst 2012 will die ARD ihn senden.

Dass sich ausgerechnet jetzt der Unmut regt, hängt womöglich mit einem anderen Film von teamworx zusammen, der am 2. und 3. November im Ersten zu sehen ist: „Laconia“ heißt der Zweiteiler, und die Beziehungen zu „Rommel“ sind durchaus vorhanden.

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Zum einen spielt der Befehlshaber von Hitlers Afrikakorps eine gewichtige Rolle als Feindbild, ist es doch seine Offensive im Sommer 1942, die Menschen in Ägypten an Bord der „Laconia“ treibt.

Gewichtiger aber dürfte die Frage sein, wie Nico Hofmann und sein Team es denn mit der historischen Wahrheit um den Untergang der „Laconia“ halten. Schließlich hat er mit „Dresden“, „Die Luftbrücke“, „Mogadischu“ oder „ Hindenburg “ Maßstäbe bei historischen Event-Produktionen gesetzt.

Wenn Hofmann schon an einem Dampfer scheitert, was soll dann erst aus einem Überhelden wie Rommel werden? In dessen Fall musste sich Hofmann bereits den Vorwurf gefallen lassen, er stehe nicht auf dem letzten Stand der Forschung.

Die "Laconia"-Tragödie und ihre Folgen

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Bei der „Laconia“ dürfte das etwas anders aussehen. Vermutlich ist deren Tragödie und ihre Folgen selbst vielen gestandenen Historikern kein Begriff. Das 20.000 Bruttoregistertonnen große Schiff stach im August 1942 von Suez aus in See.

An Bord waren 1800 italienische Kriegsgefangene, bewacht von gut 100 polnischen Exil-Soldaten, sowie 366 Zivilisten und knapp 500 Besatzungsmitglieder. Die Reise ging um das Kap der Guten Hoffnung in den Atlantik. Dort geriet die „Laconia“ am 12. September vor die Torpedorohre des deutschen U-Boots „U 156“ und wurde versenkt.

So erging es während der „Schlacht im Atlantik“ Hunderten von Schiffen. Der deutsche Kapitän Werner Hartenstein handelte wie die meisten seiner Kameraden und wollte die See nach überlebenden britischen Seeoffizieren absuchen.

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Erst da erkannte er, dass die „Laconia“ kein Kriegsmaterial transportierte, sondern italienische Verbündete und Zivilisten. Umgehend startete er eine Rettungsaktion, die in der Geschichte des Zweiten Weltkriegs einmalig ist.

„U 156“ nahm nicht nur zahlreiche Schiffbrüchige auf, sondern auch treibende Rettungsboote in Schlepp. Mehr noch: Hartenstein setzte einen unverschlüsselten Funkspruch in englischer Sprache ab, in dem er zum einen seine Position mitteilte und zum anderen versicherte, dass er Schiffe, die zur Rettung der „Laconia“-Passagiere eintreffen würden, nicht angreifen werde.

Schließlich stießen zwei weitere deutsche U-Boote und ein italienisches zu „U 156“. Trotz eines amerikanischen Luftangriffs erreichten die Boote die Heimat, die meisten Schiffbrüchigen wurden von einem Dampfer der Vichy-Regierung gerettet.

Am Ende gab die „Laconia“ ihren Namen einem Befehl, mit dem Hitlers Admiral Karl Dönitz die Konsequenz aus der Seenotrettung zog: „Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.“

Wie gesagt, die Geschichte, die die Co-Produktion von teamworx und der britischen talkback erzählt, gehört nicht zum Kanon des Zweiten Weltkriegs. Und nicht umsonst lässt Regisseur Uwe Janson sein deutsch-britisches Schauspielerensemble über die verkehrte Welt staunen oder lamentieren.

„Wären Sie ein Brite, wären Sie ein Gentleman“, erklärt eine Lady Kapitän Hartenstein (Ken Duken). „Auch in Deutschland gibt es Gentlemen“, antwortet dieser.

Mühe, die historische Balance zu halten

Tatsächlich ist eigentlich alles „verkehrt“ in diesem Film. Die Bösen sind bornierte englische Kolonialoffiziere, die ihre amerikanischen Verbündeten nicht über das wahre Anliegen Hartensteins informieren, oder polnische Soldaten, die die Italiener wie Vieh behandeln.

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Ein englischer Mann verlässt seine Kinder, um sich zu retten, eine deutsche Frau kämpft bis zum Letzten um ihr Baby. Hartenstein erhält von Dönitz das Ritterkreuz, während sein glühender Nazi-Adjutant das Nachsehen hat. Überhaupt klingt alles wie ein Märchen, das sich da 1942 in den Weiten des Ozeans abgespielt hat, während im Osten Europas der systematische Völkermord tobte.

Das Drehbuch von Alan Bleasdale hat denn auch alle Mühe, die historische Balance zu halten. Franka Potente ist die Hauptfigur, der nur noch ein wenige Monate altes Kind und ein Ticket auf der „Laconia“ geblieben sind, nachdem Nazi-Schergen ihre Familie ermordet haben.

Unter falschem Namen schifft sie sich an Bord ein, wo sie weitere typische Schicksale trifft: den britischen Seeoffizier (Andrew Buchan), der soeben seine Familie durch deutsche Bomben verloren hat, oder die Witwe (Lindsay Duncan) eines hohen britischen Soldaten, der gegen Rommel fiel. Auf deutscher Seite übernimmt der Schiffsingenieur (Matthias Koeberlin) den Part des leidenschaftlichen Deutschen.

Man kann das holzschnittartig nennen. Dennoch ist es nicht ohne Unterhaltungswert. Dafür sorgen schon die kaum bekannte Story und ihre sich immer wieder verkehrenden Fronten, die in der englischen Schnittfassung noch deutlich konturierter daherkommen.

Warum aber Kritiker dies ausgerechnet als rechtes Maß der Kriegsdarstellung feiern, wird nicht ganz klar. Gerade im unklaren Changieren zwischen militärischem Auftrag, Vorurteil und Menschlichkeit gewinnt „Laconia“ seinen Reiz.

Spiel mit dem Déjà-vu aus "Das Boot" und "Titanic"

Hinzu kommt das Spiel mit dem Déjà-vu. Natürlich lässt sich die Kriegsfahrt eines deutschen U-Boots nicht ohne Wolfgang Petersens „Boot“ von 1981 denken. Und der Untergang eines Passagierschiffes hat in „Titanic“ seit 1997 seine ikonografische Referenz.

Gemessen an diesen Vorbildern schlägt sich „Laconia“ mit seinem 13-Millionen-Euro-Budget achtbar, gelingen sogar geradezu originelle Brechungen, wenn ein Sturmlauf durch das Boot durch eine baumelnde Lampe unsanft unterbrochen wird.

Selbst Admiral Dönitz (Thomas Kretschmann) kommt nicht als Hitlers späterer Nachfolger, sondern als durchaus respektabler Feldherr daher, der sich notgedrungen den berüchtigten Befehl abringt, um seine Offiziere vor ihrer Menschlichkeit zu bewahren.

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Im Abspann wird die Lösung präsentiert: Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wurde die Anklage gegen Dönitz wegen des „Laconia-Befehls“ fallen gelassen, weil britische wie amerikanische Admiräle erklärten, ähnliche Weisungen erlassen zu haben. So entging Hitlers Nachfolger dem Tod durch den Strang.

Genügt der Film „Laconia“ in allen Details dem neuesten Stand der Forschung? Die Antwort lautet: Wen interessiert das? Dieser Fernsehfilm ist gut durchkomponiert, fesselnd erzählt und historisch ordentlich gewichtet. Als Generalprobe für „Rommel“ kann Nico Hofmanns Produktion durchgehen. Schließlich handelt es sich in beiden Fällen um einen Spielfilm.

"Laconia“, am 2. und 3. November um 20.15 Uhr in der ARD

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